Die Corona-Pandemie hat auch die Agenden der Kirchen durcheinandergebracht. Viele Angebote mussten eingestellt oder angepasst werden. Dies betrifft auch den «Dorfgottesdienst» der Evangelischen Allianz Frutigen und die «Open Heaven Days» vom Ekklesia Movement. Etienne Josi ist Pastor im Zentrum Rybrügg und Präsident der Evangelischen Allianz Frutigen. Er berichtet über die speziellen Umstände und seine Beweggründe, alle Haushaltungen der Region mit einer Zeitung zu beliefern.
Etienne, die letzten Monate waren ja komplett von Corona geprägt. Wie hast du diese Zeit persönlich erlebt?
Sehr ambivalent. Einerseits hat die Krise viele Herausforderungen mit sich gebracht. Die Ungewissheit und der Wegfall jeglicher Planungssicherheit war schon etwas mühsam. Aber es gab auch die schöne Kehrseite. So kam der Lockdown inmitten einer eher hektischen Zeit mit hoher Arbeitsbelastung. Der Ausfall von Sitzungen und Terminen hat mein Leben entschleunigt und wir konnten viele schöne Momente als Familie geniessen. Es hat mich besonders berührt, wie die Menschen hier füreinander da waren.
«Es hat mich besonders berührt,
wie die Menschen hier füreinander da waren.»
Die vielen Hilfsangebote der Kirchen wurden meines Wissens nur wenig beansprucht, weil für die meisten betroffenen Personen bereits gesorgt wurde. Das hat mich mit tiefer Dankbarkeit erfüllt!
Während der letzten Jahre wurden im Herbst jeweils die «Open Heaven Days» und der Dorfgottesdienst durchgeführt. Wann stand für euch fest, dass 2020 nichts daraus wird?
Wir haben die Entwicklung beobachtet und mit dem Entscheid bis Anfang August gewartet. Doch angesichts der steigenden Fallzahlen wurde uns schnell klar, dass es so keinen Sinn macht, uns in der Sporthalle Widi zu treffen. Rein logistisch wäre es zwar möglich gewesen, aber wir wollten keine unnötigen Risiken eingehen mit Grossanlässen, die nicht unbedingt stattfinden müssen. Die «Open Heaven Days» werden als Online-Format via Internet übertragen (openheavendays.ch). Den Dorfgottesdienst haben wir abgesagt.
Trotz Absage der Events in der Sporthalle Widi bringt ihr über digitale Kanäle die «Open Heaven Days» zu den Leuten und gebt diese Zeitung heraus. Was sind eure Beweggründe dafür?
Die Coronakrise hat viel Unsicherheit mit sich gebracht. Was wird morgen sein? Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Was ist, wenn ich krank werde? Als Christen haben wir eine unglaublich starke Botschaft der Hoffnung! Jesus hat uns nicht einfach ein besseres irdisches Leben gebracht, sondern eine Hoffnung, die weit darüber hinausreicht. Diese Zeitung handelt von jener Hoffnung. Mit unserer Aktion möchten wir sie in die Haushaltungen der Region bringen.
Menschen erleben Gott auf unterschiedlichste Weise, wie in dieser Zeitung ersichtlich wird. Wie hast du selbst diesen Jesus eigentlich kennengelernt?
Ich bin in einem christlich geprägten Elternhaus aufgewachsen. Als Jugendlicher habe ich mich von alledem jedoch distanziert, weil ich überall Ge- und Verbote sah. Ich dachte, es gehe beim Glauben vor allem um Dinge, die man tun müsste oder nicht tun dürfte. Das hat mich zu stark eingeengt. Mit 20 Jahren hatte ich ein überraschendes und sehr intensives Gotteserlebnis. Dabei durfte ich Gott als liebenden Vater kennenlernen. Es geschah völlig unerwartet und ich hatte überhaupt nicht danach gesucht. In der Retrospektive wurde mir klar, dass mein ganzes bisheriges Leben grob zusammengefasst eigentlich nur eine ständige Suche nach innerem Frieden, nach Wert, Sinn und Sicherheit war. In Gott habe ich genau das gefunden. Diesen unglaublichen Frieden und die übernatürliche Hoffnung möchte ich nicht mehr missen.
«Mit 20 Jahren hatte ich ein überraschendes und
sehr intensives Gotteserlebnis. Dabei durfte ich Gott
als liebenden Vater kennenlernen.»
In deiner Aufgabe und Funktion als Pastor erwartet bestimmt jeder, dass du deinen Alltag stets mit viel Glauben und Gottvertrauen anpackst. Aber mal ehrlich: Gab es auch schon Momente, in denen du gezweifelt und vielleicht sogar mit Gott gehadert hast?
Ich erlebe Gott so real, dass ich keine Zweifel an seiner Existenz hege. Natürlich gibt es Ereignisse, die Fragen aufwerfen, die man nicht verstehen und einordnen kann. Mein wohl schwierigstes Erlebnis war der Todesfall meiner Tante. Mit ihren drei kleinen Kindern an ihrem Grab zu stehen, hat mich innerlich fast zerrissen. Sicher hatte ich da viele Fragen. Trotzdem hat das weniger Zweifel in mir ausgelöst als vielmehr das Bewusstsein, wie klein und ohnmächtig wir Menschen doch sind. Wir spielen uns zwar oft als Könige und Götter auf Erden auf, aber ein kleiner Hauch zeigt uns oft die Grenzen unserer Macht auf. Gerade in diesen Krisen des Lebens habe ich Gott immer wieder als starke Zuflucht erlebt, wie in der Bibel, im Psalm 18, Verse 2–3 so schön beschrieben ist: «Und er sprach: Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke! Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter; mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz!»
«Natürlich gibt es Ereignisse, die Fragen aufwerfen, die man nicht verstehen undeinordnen kann.»
«Gott erleben» ist das Thema dieser Zeitung «Hope Frutigland». Deshalb zum Schluss die Frage an dich: Wie erlebst du Gott persönlich?
Ich erlebe ihn auf sehr unterschiedliche Weise. Erstens bin ich überzeugt, dass Gott überall zu finden ist: im Gespräch, beim Einkaufen, im Garten, beim Sport oder wo auch immer. Die Frage ist, ob ich auf Empfang bin oder nicht. Durch den Heiligen Geist erlebe ich oft seine Führung, sein Reden, sein Eingreifen. Total spannend! Zweitens erlebe ich ihn in der Natur. Ich verstehe, weshalb vielen Menschen die Natur so viel bedeutet. In ihr ist etwas Göttliches. Im Kolosserbrief Kapitel 1, Vers 16 schreibt Paulus, dass «alles durch ihn und zu ihm hin geschaffen ist». Ich bin überzeugt, dass die Natur zwar nicht Gott selbst, aber ein Wegweiser auf ihn hin ist. In den Bergen, an Gewässern oder im Wald fühle ich mich Gott immer sehr nahe. Drittens erlebe ich Gott auch ganz stark durch die Bibel. Als Buch mit vielen verschiedenen Autoren über viele Epochen hinweg zeichnet sie ein eindrückliches Bild Gottes. Immer wieder wird aus dem Lesen der Bibel eine Gotteserfahrung als würde ich ihm gegenübersitzen, in seine Augen sehen und ihn besser kennenlernen. Jede Gottesbegegnung ist für mich wie Trinken aus einer sprudelnden Bergquelle: erfrischend, wohltuend und stärkend. Echt zu empfehlen! (fw.)